Ist ein Wirtschaftsaufschwung immer positiv für die Bevölkerung?

Den Lesern unter Ihnen, die meine Artikel schon einige Jahre lesen, ist sicherlich nicht entgangen, dass ich eine Vielzahl der Wirtschaftstheorien in Frage stelle. Als die EZB damals mit dem Ankauf der Wertpapiere begann, hatte ich des öfteren lebhafte Diskussionen mit Leuten aus Internetforen, Freunden, Bekannten und sogar mit Volkswirten. Meine Haltung zu den EZB-Ankäufe war und ist immer sehr kritisch gewesen.

 

Im Gegensatz zum Großteil meiner Gesprächspartner, die meine kritische Meinung im Grundsatz teilten, zerbrach ich mir nicht den Kopf über eine mögliche Inflationserwartung, die die EZB erzeugen könnte. Diese Thesen hielt ich damals und halte ich auch heute noch für falsch. Die meisten meiner Gesprächspartner waren an wirtschaftlichen Themen interessiert und beriefen sich auf die Quantitätstheorie des Geldes.

Diese besagt, dass unter bestimmten Bedingungen eine kausale Abhängigkeit zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau existiert. Allerdings waren damals genau diese Bedingungen nicht erfüllt. In vielen Diskussionen legte ich meine Thesen zu diesem Thema offen und behielt mit ihnen bis zum heutigen Tag recht – während die Notenbanken weiterhin grübeln, warum ihre Medizin nicht die erhoffte Wirkung hat. Doch heute geht es mir um eine weitere These, die durch Zufall vor ein paar Tagen auf meinen Tisch kam. Auch diese These halte ich für nicht haltbar.

In diesem Artikel erfahren Sie, warum ich die These eines immer vorteilhaft wirkenden Wirtschaftsaufschwungs für falsch halte. Dazu stelle ich den Bezug zum Schuldgeldsystem dar und verweise auf die Art der Investitionen, die einen Aufschwung auslösen können. Die Lesedauer beträgt 6 Minuten.

 

Wirtschaftsaufschwung – Ein Segen für die Bevölkerung?

 

Um volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, empfiehlt es sich oftmals, die Dinge auf den kleinsten Nenner herunter zu kürzen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der große John Maynard Keynes sehr wahrscheinlich ähnlich vorging. Immerhin sind viele seiner An- und Einsichten zwingend logisch, wenn man dieses Verfahren anwendet. Doch kommen wir zurück zu der These, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung etwas gutes für die Bevölkerung ist.

 

Deutschland im Aufschwung – deutsche Bevölkerung partizipiert?

 

Wie ORBP in seinem Text richtig darstellte, sieht es aktuell so aus, als würde Amerika durch hohe Investitionen in den Militärkomplex ein riesiges Wirtschaftsprogramm anschieben. Sollten Sie sich mit ORBPs Idee näher auseinandersetzen wollen, führt der folgende Link zu ORBPs Text „Ein Neues Quantitative Easing zeichnet sich ab„.

Sollte der amerikanische Staat sich weiter verschulden und mit diesen Schulden Rüstungsgüter nachfragen, werden die Firmen aus diesem Segment ein deutliches Wachstum erleben.

 

Wirtschaftsaufschwung
BIP USA

Grafikquelle Statista

 

Dieses Wachstum wird verschiedene Effekte nach sich ziehen. Sehr wahrscheinlich werden im Rüstungsbereich neue Stellen geschaffen. Diese werden mit Menschen besetzt, die vorher keine Stelle hatten, oder von einer schlechteren Stelle auf eben diese wechseln können.

Die dadurch freigewordene Stelle würde eben dann durch einen bisher nicht erwerbstätigen Menschen besetzt werden. In jedem Fall schafft ein Zustand von neu geschaffenen Stellen zusätzliche Kaufkraft. Diese stützt dann wiederum andere Bereiche des Wirtschaftslebens. Menschen mit einer Arbeit gehen tendenziell häufiger Essen oder zum Friseur, als es Arbeitslose tun können.

Diese sehr kurze Ausführung erklärt den Ursprung eines möglichen Wirtschaftsaufschwungs durch hohe Investitionen in einen speziellen Bereich. Bis zu diesem Punkt ist allerdings noch völlig egal, welcher Bereich durch die Regierung angeschoben wird. Militär, Touristik, Technologie oder Automobile, die Effekte sind vergleichbar. Doch in den folgenden Ausführungen ändert sich nun dieser Zustand und wir gehen der These, dass ein Wirtschaftsaufschwung per se gut für die Bevölkerung ist, auf den Grund.

 

Wirtschaftsaufschwung im Schuldgeldsystem

Hier auf Trading-Treff haben wir schon oft über das Schuldgeldsystem geschrieben. Wir widerlegten dabei mehrfach Annahmen, wonach Geschäftsbanken Ersparnisse von der Bevölkerung verleihen. Im Gegensatz zu diesem weiterhin weit verbreiteten Irrtum, verleihen Banken zwar Geld, allerdings wurde dieses im Augenblick der Auszahlung erst erschaffen.

Anders als der Großteil der Bevölkerung glaubt, werden die Ersparnisse der Anlagekunden auf der „anderen Seite“ nicht als Kredite an Kreditkunden vergeben. Es findet also kein Geldtransfer von der Passivseite auf die Aktivseite der Kreditinstitute statt. Richtig ist, dass im Augenblick der Kreditvalutierung die Bankenbilanz verlängert wird. Die Bank schafft neues Geld.

Ein Kunde der 100.000 Euro von einer Bank leiht, hat die Bilanz dieser Bank um genau 100.000 Euro erhöht. Auf der Passivseite der Bank hat er 100.000 Euro auf dem Konto. Auf der Aktivseite der Bank stehen 100.000 Euro als Forderung zu Buche. Dieser Vorgang nennt sich Giralgeldschöpfung. Nur wem dieser Umstand klar ist, wird meine Argumentation nachverfolgen können.

 

Der Staat macht Schulden im Schuldgeldsystem

Wenn ein Staat nun zum Schuldner wird und sich Geld beschafft um Militärgerät zu erwerben, werden neue Schulden und damit ebenfalls Guthaben geschaffen. Diese Guthaben stehen nun den verfügbaren Waren gegenüber. Anders als bei den QE Maßnahmen der EZB handelt es sich hier um eine Geldmenge die sich breiter verteilen kann, da sie aus Investitionen und damit einhergehenden neuen Arbeitsplätzen resultiert. Dementsprechend kommt in diesem Falle tatsächlich die Quantitätstheorie zur Anwendung, und das Preisniveau würde sich sehr wahrscheinlich erhöhen. Die Erklärung liegt hier in der Art der neuen Schulden und entsprechenden neuen Guthaben.

Investitionen in Produktionsstrecken und Maschinen führen zur Steigerung der verfügbaren Güter. Damit stehen den neu geschaffenen Guthaben eben auch Produkte gegenüber. Investitionen in Militärgerät führen allerdings nicht zu einer Erhöhung der verfügbaren Konsumprodukte. Um dieses klar zu verdeutlichen, kürzen wir die Situation wieder auf den kleinsten Nenner herunter und überspitzen die Situation.

 

Beispiel eines kritischen Wirtschaftsaufschwungs zur Verdeutlichung

Stellen Sie sich ein Land vor, welches in einem bedrohlichen Konflikt mit einem Nachbarn steckt. Dieses Land erhöht die Produktion von Militärgerät so deutlich, dass die ehemalige Arbeitslosenquote von sagen wir 10 Prozent auf 0 Prozent fällt. Nach einigen Monaten arbeiten 9 von 10 Menschen in der Produktion von militärischen Gütern, um sich der Bedrohungslage zu stellen. Jeder hat ein Einkommen und die Ersparnisse wachsen. Durch die Vollbeschäftigung kommt es außerdem zu steigenden Löhnen, da auch andere Produzenten um die Arbeitskräfte konkurrieren.

Die Wirtschaft boomt, das BIP steigt deutlich und Volkswirtschaftler könnten ohne einen Blick hinter die Kulissen denken, dass sich dieses Land auf einem hervorragendem wirtschaftlichen Weg befindet. Immerhin stehen den Staatsschulden auf der einen Seite große Vermögen auf der anderen Seite gegenüber. Doch was kann man in diesem Land mit all den neu geschaffenen Ersparnissen erwerben? Die Produktion von Konsumgütern ist eingeschlafen und Löhne wie auch Ersparnisse stoßen auf kaum verfügbare Produkte. Die Inflation würde in diesem Fall in ein Galopp geraten. Vom anfänglichen Boom würde am Ende nur Verarmung und Elend übrig bleiben.

 

Die These des immer positiv wirkenden Wirtschaftsaufschwung wurde widerlegt

 

Wenn Sie diese Gedanken zu Ende denken, dann werden Sie erkennen, dass ein BIP-Wachstum nicht automatisch Wohlstand für die Bevölkerung schafft. Wenn Investitionen neue Schulden und damit einhergehend neue Vermögen schaffen, spielt die Art der Investitionen eine große Rolle. Je mehr Schulden und Vermögen ohne direkten Nutzen für die Bevölkerung geschaffen werden, desto eher wird diese Fehlallokation zu Finanzkrisen führen. Ob sich diese dann durch Abschreibung der Schulden und Verlust der Ersparnisse oder aber durch Entwertung mittels Inflation zeigt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

Ein zweiter wichtiger und allzu menschlicher Aspekt kommt in unserem Beispiel dazu. Institutionen und Behörden, die eine gewisse Größe erreicht haben, streben im Normalfall nach Aufgaben und Einfluss. Wenn ein Militärapparat durch Investitionen immer größer und größer wird, kommt irgendwann sehr wahrscheinlich der Punkt, an dem dieser Apparat echte Tätigkeiten verlangt. In jedem Falle stellt ein durch Militärausgaben getriebener wirtschaftlicher Aufschwung nicht automatisch ein erstrebenswerten Zustand dar. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Die Auswirkungen auf Anlageentscheidungen

 

Allerdings gibt es anders als in unserem Beispiel speziell für Amerika tatsächlich gewisse Vorteile. So schreibt ORBP völlig zu recht:

Sollten es die USA schaffen die Nachfrage nach USD durch Rüstungsverkäufe aufrecht zu erhalten bzw. das Schwinden dieser abzubremsen, wäre der Verlust des Petrodollars recht gut zu verschmerzen. Der zusätzliche Effekt, den ein neues Quantitative Easing für den militärisch-industriellen Komplex zur Folge hat, ist zum einen eine Verringerung des Handelsbilanzdefizits und zum anderen die Schaffung von Arbeitsplätzen für den Durchschnittsamerikaner. Ein solches QE sollte der Realwirtschaft wesentlich besser helfen können, als es das fiskalische QE jemals vermocht hatte.

Sollte ein Großteil der aktuellen Bedingungen gleich bleiben und die Geldpolitik die Zinserhöhungen aufgeben, wäre es durchaus denkbar, dass Amerika weiterhin der interessanteste Markt unter den großen Volkswirtschaften bleibt. In jedem Falle gehören amerikanische Aktien weiterhin in ein jedes Aktienportfolio. Sollten Sie Anregungen für die Aktienanlage brauchen, kann ich Ihnen die Rubrik Aktien hier auf Trading-Treff empfehlen. Sollten Sie ganz allgemein wissen wollen, worauf Sie bei der Aktienanlage achten sollten, empfehle ich Ihnen den Text „Aktien? Ja unbedingt, doch bitte die richtigen!„. Sollten Sie weitere Fragen zur Aktienanlage haben, dann stellen Sie diese gern. Einer der Autoren wird sich zeitnah zu Ihrer Frage äußern.

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1 Kommentar zu Ist ein Wirtschaftsaufschwung immer positiv für die Bevölkerung?

  1. Darüber sollte man eine Zeit lang nachdenken und es wirken lassen. Ich sehe den Aufschwung im persönlichen Umfeld nicht.

    Danke für Recherche dazu und Mut es zu veröffentlichen!

    Florian

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