Baidu – Wachstum durch künstliche Intelligenz

Ich hatte ja schon vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass man als langfristig und global ausgerichteter Tech-Investor China nicht länger ignorieren sollte. Das gilt umso mehr nach den teils eklatanten Kursverlusten der letzten Wochen.

 

Im Laufe von 2018 haben vor allem China-Tech-Aktien inzwischen im Durchschnitt über 30% verloren. Der Hauptgrund ist, dass sich vor allem US-Anleger angesichts des Handelskrieg zwischen USA und China zurückziehen aus den vorher dort so beliebten China ADR’s.

 

Mein Investment Case zu Baidu

 

Neben Alibaba und Tencent habe ich nun für mein wikifolio auch in Baidu investiert. Das Unternehmen ist bekannt geworden durch seine Suchmaschine. In Abwesenheit von Google konnte sich Baidu mit Unterstützung der chinesischen Regierung zur führenden Suchmaschine in China entwickeln und hat dort ca. 70% Marktanteil.

Das daraus resultierende Online-Marketing-Geschäft ist nach wie vor der mit Abstand wichtigste Umsatzstrom. Dieser ist sehr profitabel, wächst nach wie vor mit mehr als 15% p.a. und kein Ende dieses Wachstums ist in Sicht. Aber ich habe in Baidu in erster Linie nicht wegen seiner Suchmaschine investiert. Denn ähnlich wie Alphabet (Muttergesellschaft von Google) ist Baidu seit Jahren dabei, in andere Bereiche hinein zu diversifizieren.

Mein Eindruck ist, dass ihnen das mindestens genauso gut gelingt wie dem Google-Mutterkonzern. Hinter Baidu steht Robin Li, der in den USA als Informatiker ausgebildet wurde und mittlerweile einer der reichsten Chinesen ist. Er hat es sich zum ehrgeizigen Ziel gesetzt, mit Baidu das weltweit führende Unternehmen für künstliche Intelligenz (KI) zu schaffen.Will man Baidu im Jahre 2018 verstehen, dann muss man sich neben dem Suchmaschinengeschäft vor allem die folgenden drei weiteren Geschäftsfelder anschauen:

 

1. Video-Streaming – iQIYI

 

Der Video-Streaming-Dienst mit dem unaussprechlichen Namen iQIYI wird oftmals etwas abfällig als ein chinesischer Netflix-Klon betrachtet. Das Unternehmen hat im Frühjahr 2018 als Spin-Off von Baidu seinen eigenen Börsengang absolviert, bleibt aber als Mehrheitsbeteiligung (70%) in der Baidu-Bilanz konsolidiert.

iQIYI trägt mittlerweile mehr als 20% zum Umsatz bei mit schnell wachsender Tendenz. Zwei Jahre zuvor waren es nur 8%. Die Wachstumsrate von iQIYI hat in 2017 weit über 50% betragen.

Das Unternehmen dominiert das Video-Streaming-Markt in China gemeinsam mit Tencent. iQIYI hat aktuell 440 Mio. MAU (monatlich aktive User) von denen 67 Mio. zahlende Abonnenten sind. Zum Vergleich: Netflix hat aktuell 130 Mio. Abonnenten.

Interessanterweise machten Subskriptionen bei iQIYI zuletzt nur 38% des Umsatzes aus. Das liegt vor allem am geringen Abo-Preis von umgerechnet monatlich 3$ pro User. Der größere Rest waren Werbeumsätze. D.h. das Geschäftsmodell von iQIYI unterscheidet sich deutlich von Netflix, die zumindest bisher ja vollständig auf Werbung verzichten. Die Frage die sich stellt ist, wie lange dieses Wachstum anhalten kann?

Man kann davon ausgehen, dass iQIYI noch auf Jahre hinaus mit mindestens 30% p.a. wachsen wird. Der Anteil von zahlenden Kunden steigt und der Preis pro User wird wohl mit wachsendem Durchschnittseinkommen und konsolidierendem Markt auch im Laufe der Zeit anziehen.

 

2. Das IoT Betriebssystem – DuerOS

 

Baidu hat mit DuerOS ein eigenes Betriebssystem für das Internet of Things (IoT) entwickelt. Im August 2018 umfasste die Kundenbasis bereits über 100 Mio. Geräte, die mit einem Baidu-Sprachassistenten basierend auf DuerOS ausgestattet sind. Derzeit kommen monatlich über 10 Mio. Geräte neu hinzu.

Diese KI-basierten Geräte haben in China also längst den Massenmarkt erreicht. Baidu beherrscht mit seiner Suchmaschine das chinesische Web und nutzt diese Position offenbar, um im Bereich der sprachbasierten KI ganz vorne zu sein.

Rund um die DuerOS-Plattform entsteht gerade ein ganzes Ökosystem von KI-basierten Anwendungen – entwickelt wird bereits von 200 Partnern und für derzeit über 100 verschiedene Geräte. Unter diesen Partnern befinden sich auch BMW, Daimler und viele weitere Autohersteller, die mit der Baidu-Technologie einen Sprachassistenten in ihre Autos für den chinesischen Markt bringen werden.

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3. Autonomes Fahren – das Apollo Programm

 

Die Partnerschaft von Daimler und BMW mit Baidu geht sogar noch viel weiter. Denn Baidu ist mit seinem Apollo-Programm auch technologisch führend im autonomen Fahren in China, das dort durch die Unterstützung der chinesischen Regierung viel schneller vorankommt als in Europa.

Das Apollo-Programm wurde von Baidu von vornherein als offenes kollaboratives Projekt etabliert und soll mit seinem offenen Betriebssystem eine ähnliche Rolle für das autonome Fahren spielen wie Googles Android in der Smartphone-Welt. Apollo zählt mittlerweile weit über 100 Partner, die gemeinsam an der Plattform für das autonome Fahren in China entwickeln. Auch namhafte deutsche Zulieferer wie Bosch und Continental sind mit dabei.

Die Strategie zur Monetarisierung von Apollo ist mir noch nicht vollständig klar, aber erste Umsatzquellen werden für Baidu schon in Kürze sprudeln. Denn in Zusammenarbeit mit dem japanischen Bus-Hersteller King Long hat bereits die Produktion von autonom fahrenden Kleinbussen begonnen.

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Mehr Informationen

 

Ich hoffe dieser kurze Überblick über die Geschäftsbereiche von Baidu hat Dir klargemacht, dass das Unternehmen wirklich viel mehr zu bieten hat als nur die führende chinesische Suchmaschine.

 

Ethische Bedenken?

 

Ob Baidu ein ethisch zu vertretendes Investment ist, das muss jeder für sich selbst beurteilen. Ich habe da auch länger darüber nachgedacht. Denn Baidu spielt auch eine zentrale Rolle beim Aufbau des neuen Bewertungssystems in China, das dort zukünftig „gute“ von den „schlechten“ Bürgern unterscheidbar machen soll.

Dieser nächste Schritt hin zum totalen Überwachungsstaat erscheint aus unserer europäischen Sicht natürlich mehr als diskussionswürdig. Diskutiert wird über die ethischen Folgen und mögliche Rahmenbedingungen für die neuen KI-Technologien übrigens auch zusammen mit Baidu als erstem chinesischem Vertreter in der „Partnership on AI“ Organisation.

 

Bewertung der Baidu-Aktie

 

Der Baidu ADR hat seit seinem All-Time-High von $285 im Mai 2018 mittlerweile über 30% verloren und ist für ca. 190$ zu haben. Demgegenüber zeigen die Ergebnisse des Unternehmens keinerlei Schwäche, ganz im Gegenteil: Das Umsatzwachstum von Baidu beträgt in 2018 wohl gut 20%, während das operative Ergebnis sogar noch schneller um ca. 30% vorankommt.

Das Unternehmen ist hochprofitabel mit operativen Margen von ca. 20% und wird zu einem KGV von unter 17 gehandelt auf Basis der Gewinne von 2018. Ein Grund für die moderate Bewertung ist sicherlich, dass die Brutto-Margen (Gross-Margins) in den letzten Jahren deutlich auf Werte um die 50% zurückgefallen sind. Das ist jedoch m.E. kein Zeichen der Schwäche, sondern der Diversifikation des Geschäftes geschuldet.

Denn die erheblichen Investitionen z.B. in eigenen Content für das Video-Streaming-Business drücken auf die Margen und belasten den Cashflow ganz erheblich. Netflix-Aktionäre kennen dieses Problem…

Der Markt erwartet offenbar, dass das Wachstum bei Baidu sich in den kommenden Quartalen abschwächt. Ich sehe da eine gute Chance für positive Überraschungen auf der Unternehmensseite.

Weitere Gründe für die Kursschwäche sind wohl auch mehr außerhalb des Unternehmens zu suchen:

 

Der Handelskrieg China versus USA

 

Eigentlich sollte der Handelskrieg nur minimale Auswirkungen auf Baidu haben, da die Umsätze zu nahezu 100% in China erzielt werden. Aber eine weitere Eskalation ist natürlich dennoch ein Risiko, zumal das Apollo-Programm im Silicon Valley entwickelt wird und somit durchaus auch vom Wohlwollen der US-Behörden abhängig ist.

Sollte sich die Lage entspannen – und das dürfte spätestens nach dem Ende der Trump-Ära der Fall sein – so würde die Baidu-Aktie wohl einen Freudensprung machen. Ich erwarte eine Einigung in diesem Streit übrigens schon viel früher, aber das ist ein anderes Thema.

 

Google going East

 

Google hatte sich vor mehr als 10 Jahren aus China zurückgezogen. Vor wenigen Wochen wurde veröffentlicht, dass Google in die Region zurückkehren möchte. Dieser Plan stößt allerdings auf vielfältigen Widerstand seitens der Politik und in der eigenen Belegschaft.

Und selbst wenn man sich ernsthaft aufmacht, China zu erobern, so stößt Google mit Baidu auf einen lokalen Wettbewerber, der viele Jahre Vorsprung hat was die Umsetzung der zahlreichen landesspezifischen Besonderheiten angeht.

US-Konzerne neigen generell dazu, den Aufwand für die Lokalisierung der eigenen Angebote zu unterschätzen. Ich kann die Gelassenheit des Baidu-Managements bzgl. eines Google-Restarts in China daher gut nachvollziehen.

 

Fazit zur Baidu-Aktie

 

Baidu wird derzeit nur auf Basis seines Suchmaschinengeschäftes bewertet – wie ein solide wachsender, aber wenig aufregender Online-Marketing-Anbieter. Die boomende Video-Streaming-Sparte, die immerhin bereits 20% des Umsatzes ausmacht und die Aktivitäten im Bereich KI – (autonomes Fahren Apollo und IoT DuerOS) werden vom Markt nicht ausreichend gewürdigt.

Ich bin beeindruckt von der Umsetzung der Diversifikationsstrategie und plane ein langfristiges Investment in Baidu. Daher habe ich eine erste kleinere Position für das High-Tech Stock Picking wikifolio erworben. Damit bin ich nun bei allen drei BAT-Konzernen (Baidu, Alibaba, Tencent) engagiert. Dies erscheint mir momentan die risikoärmste Variante einer Investitionen in die chinesische Tech-Branche – und die aktuellen Einstiegskurse sind mittlerweile durchaus attraktiv.

Denn trotz der zusätzlichen länderspezifischen Risiken stimme ich dem ehemaligen Siemens-Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer zu. Der hatte schon vor mehr als 10 Jahren erkannt:

Das Risiko in China nicht dabei zu sein ist größer als das Risiko dabei zu sein.

An China kommt man als langfristiger Tech-Investor nicht vorbei. Lese Sie dazu gern meine Ausführungen in meinem Blog.

 

Ihr Stefan Waldhauser

Über Stefan Waldhauser 5 Artikel
Stefan Waldhauser ist Investor, Fonds-Partner, wikifolio-Manager und Blogger (www.high-tech-investing.de) mit 30 Jahren Börsenerfahrung. Stefan hat sein eigenes Unternehmen ins Silicon Valley verkauft und durch regelmässige Aufenthalte dort einen tiefen Einblick in die High-Tech-Szene gewonnen. Sein Digital Leaders Fund: https://thedlf.de

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