IPO-Fieber: Börsengänge sind wieder IN

Neuemissionen sind wieder IN, es kursiert das IPO-Fieber an der Deutschen Börse. Vermutlich waren schon in den letzten beiden Jahren die Technologie-Giganten in den USA der Auslöser für die gesamte Branche, den Weg über die Börse zur Kapitalbeschaffung zu beschreiten. Wir haben dazu sicher noch alle das Debüt von SNAP in den USA in Erinnerung. Dazu gab es auch von mir einen sehr ausführlichen Artikel, in dem ich Parallelen zu älteren US-Börsengängen zog. Und nicht ganz falsch lag, wenn man sich den aktuellen Kurs der Snapchat-Aktie genauer ansieht. Sie notiert nach 130 Tagen Listing nun wieder unter ihrem Emissionskurs. Einen ähnlichen Kampf vollzieht auch gerade Rocket Internet – das Vorzeige-IPO aus der Technologieszene in Deutschland. Doch dies bremst aktuell nicht das IPO-Fieber, was wir am Deutschen Aktienmarkt sehen. Hierzu ein Überblick und das wohl aktuellste Beispiel.

 

IPO-Fieber in Deutschland

 

Doch dies nur am Rande, denn fokussieren möchte ich mich hier auf die neuen Börsengänge in Deutschland. Deren Hochphase lag zweifelsohne in den Jahren 1999 bis 2001. Durch das Segment „Neuer Markt“ fast schon wörtlich impliziert, gab es hier sogar eine dreistellige Anzahl an Aktiengesellschaften, deren Aktien im Zuge einer Emission frei an der Börse handelbar waren. Mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes versiegte auch diese „Quelle“ der Finanzierung und letztlich der Mut für Unternehmen, diesen Schritt zu gehen. Neben Mut gehören hier übrigens auch eine Vielzahl an regulatorischen Maßnahmen dazu, wie Meldepflichten, Veröffentlichungszeiträume für News und öffentliche Aktionärsversammlungen. Ein nicht unwesentlicher Kosten- und Organisationspunkt.

 

 

Quelle: Statista

 

Im aktuelle Jahr zählen wir nun schon 7 Börsengänge. Damit ist das Vorjahr bereits jetzt übertroffen worden. Alle Listings finden Sie übrigens auf goingpublic -> und diese Anzahl spricht für eine Art IPO-Fieber.

 

Beim Volumen sind Platzierungen in allen Größenordnungen zu sehen. Von 18 Millionen im Juni bei der Noratis AG bis zu knapp einer Milliarde ebenfalls Ende Juni bei Delivery Hero AG.

Darüber freuen sich nicht nur die Investoren, welche teilweise einen Börsengang für die Veräußerung von Anteilen nutzen, sondern auch die Börsenportale und Berichterstatter. Denn hier werden wieder bereits vergessene Bereiche mit News unterlegt und es gibt gerade bei einem IPO immer tolle Bilder vom Frankfurter Parkett. So zum Beispiel beim Börsengang von Vapiano vor wenigen Wochen. Einige Börseninformationsseiten hatten den Navigationspunkt „IPO“ bereits abgeschrieben und aus der Navigation entfernt. Nicht so finanztreff.de mit den IPO-News.

 

Ebenso kommt Freude bei den Betreibern der Börse auf. Nicht nur wegen erhöhter Aufmerksamkeit und dem damit verbundenen Handelsvolumen, sondern auch wegen neuer Segmente. So wurde „Scale“ als Marktsegment gerade für kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich am Markt positioniert. Die Deutsche Börse AG unterstützt hier die Unternehmen direkt bei der Platzierung von Anteilen und bereitet den Schritt zum Kapitalmarkt vor. Transparenz und fortlaufende Betreuung sind damit garantiert. Es bedarf aus Sicht des Unternehmens grob formuliert nur 3 der folgenden Kriterien, um den Prozess einleiten zu können:

  • Umsatz von mindestens 10 Mio. €
  • Jahresüberschuss (positiv)
  • Bilanzielles Eigenkapital (positiv)
  • Mitarbeiterzahl des Emittenten von mindestens 20 Personen
  • Kumuliertes, eingesammeltes Eigenkapital von mindestens 5 Mio. €

 

Etwas ausführlicher ist dies dann schon, aber das kann der interessierte Firmeneigner gerne hier nachlesen:

 

Für mich als Trader ist sehr erstaunlich, wie gut die Möglichkeit eines IPO’s im Niedrigzinsumfeld angenommen wird. Denn Kapitalbeschaffung ginge auch „einfacher“. Eine Vielzahl an Gründerfonds, Venture Capital Gesellschaften und letztlich auch Förderprogrammen des Staates stehen parat. Und dennoch gehen einige Unternehmen den klassischen Schritt über den freien Kapitalmarkt.

 

Gerade die jüngste Emission sorgt hierbei für Aufsehen und bestätigt damit diesen Weg für das Unternehmen. Die Rede ist von „The Naga Group AG“ oder vielleicht bekannter mit dem Produkt „SwipeStox“. Und schon sind wir richtig tief im Thema Trading, denn diese Plattform möchte den Social Trading Markt noch transparenter und innovativer gestalten. Entsprechend direkt wird auch auf der Homepage die Message formuliert:

SwipeStox ist das ultimative soziale Netzwerk für Börsenhändler, das jedem ermöglicht, auf den Finanzmärkten zu handeln, indem die besten Trades und deren Trader kopiert werden.

Auf die Plattform selbst ist der geschätzte Kollege Michael Tomaschek bereits in seinem Blog eingegangen. Ich möchte hier eher auf das Unternehmen blicken.

 

Was steckt hinter The Naga Group?

 

Das Hamburger FinTech-Unternehmen hat scheinbar alles richtig gemacht. Nach dem Emissionspreis von 2,60 Euro war die Erstnotiz mit 3,60 Euro bereits ein voller Erfolg. Im Vorfeld gab es Überzeichnungen, also mehr Nachfrage als für die 1.000.000 neuen Stückaktien nötig waren. Und der erste Handelstag schloss somit noch höher im Gewinn bei knapp 7 Euro. Das war aber noch nicht alles, wie man im Chartbild erkennen kann. Denn auch der zweite Handelstag war ein Plustag und am Mittwoch legte die Nachfrage sogar stark zu. So standen die Aktien von „The Naga Group“ im späten Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse bei über 15 Euro und heute vorbörslich bei 17,75 Euro!

 

Die BörseARD sprach schon von einer „Hysterie“ http://boerse.ard.de/aktien/naga-loest-hysterie-aus100.html

 

Doch soweit würde ich nicht gehen, denn aktuell beruhigt sich der Kurs etwas. Es bleibt dennoch nach 4 Tagen eine extrem beeindruckende Performance, die mich und viele ältere Börsianer an den Neuen Markt zurückerinnert:

 

Quelle: finanztreff.de

 

Dabei drängt sich zwangsläufig die spezifische Frage auf, ob das KGV von mehr als 100 und die neue Marktkapitalisierung von rund 300 Millionen für das Unternehmen, welches im vergangenen Jahr als Gesamtfirma (The Naga Group ist mehr als das Produkt SwipeStox!) auf einen Umsatz von 2 Millionen kam, gerechtfertigt sind.

Und allgemeiner: Ob ein solches Marktsegment eine Neuauflage der 2000er-Euphorie werden wird. Denn weitere Börsengänge sind geplant, nicht nur im Segment Scale, sondern auch knapp an und über der Milliarden-Marke. Dies berichtete das Handelsblatt jüngst.

 

Wir dürfen somit gespannt sein, wie weit uns die Euphorie und der Ideenreichtum der Unternehmer tragen wird.

 

Ihr Andreas Mueller (Bernecker1977)

Über Andreas Bernstein 1363 Artikel
Andreas Bernstein ist als Trader, Referent und Coach über 20 Jahre unter dem Pseudonym "Bernecker1977" aktiv gewesen. Sein Trading von Indizes, Devisen und Rohstoffen an der Börse vollzieht er mit Futures, Derivaten und CFDs.. Schauen Sie ihm hier oder auf dem Twitch-Kanal "FIT4FINANZEN" täglich über die Schultern.

6 Kommentare zu IPO-Fieber: Börsengänge sind wieder IN

  1. Ich glaube in einer Niedrigzinsphase ist die Kapitalbeschaffung über die Börse möglicherweise einfacher. Da können alle dran verdienen, bis auf den Kleinanleger natürlich 😉

    Vor Kurzem fand ich die Aussage des Short-Sellers Black Carson von Muddy Waters auf die Kritik des CEOs der NYSE hin, Short-Selling sei „unamerikanisch“ und sollte demnach verboten werden, äußerst treffend. Er meinte nämlich , wenn doch Short-Selling so unamerikanisch ist, wie bezeichnet er dann die ganzen hoch gefeierten Börsengänge von Unternehmen, die in der Realität keinen Cent wert sind. So in etwa zumindest.

    Obwohl ich Carson natürlich nicht in allen Belangen zustimmen würde. In dieser Hinsicht geht der Punkt aber eindeutig an ihn. Sofern alle, bis auf den Anleger, am Börsengang verdienen, dann meckert keiner.

    https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-06-29/short-seller-carson-block-fires-back-at-nyse-s-un-american-jab

    • Du bringst es auf den Punkt. Short-Selling kann ein gesundes Unternehmen nicht zerstören. Daher kann das Short-Selling an sich kein Problem sein. Börsengänge wie sie in den Jahren 1998-2000 üblich waren, kann man aber durchaus als Problem bezeichnen.

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